Nur die braven Kinder bekommen Geschenke
Oft kommt in der Vorweihnachtszeit ein Thema auf den Tisch, gewollt oder ungewollt, dass viele Eltern vor ein Problem stellt. Die Kinder sind schon mit Beginn der Adventszeit zum Zerreißen gespannt und die Vorfreude auf Weihnachten steigt mit jedem Tag. Ebenso steigert sich unser Stresslevel und irgendwann rutscht es uns (oder einem Verwandten/Bekannten) einfach so raus:
„Sei brav, sonst kommt das Christkind nicht!“
Unser Repertoire an Druckmitteln wird auf einmal ergänzt durch etwas ganz Besonderes - plötzlich können wir nicht nur mit Medienverbot, Süßkram-Entzug oder dem berühmten Müllsack (in den wir alles einpacken was hier jetzt noch rumfliegt) drohen, sondern bekommen dabei sogar noch berühmte Unterstützung von Christkind, Weihnachtsmann und Co. Doch schon während wir das aussprechen, oder es aus Omas Mund hören, spüren wir: das fühlt sich irgendwie unfair an!
Keine Geschenke? Kohlen im Stiefel? Besuch vom Krampus?
Mal abgesehen davon, dass der Einsatz von Drohungen oder Bestrafungen erziehungspsychologisch ohnehin fragwürdig ist, sollten wir uns in der Weihnachtszeit ganz besonders überlegen, ob es das wert ist. In der Regel ist dies nämlich lediglich eine Demonstration von Macht, die dem Erwachsenen zwar ein Gefühl von Überlegenheit, aber langfristig keinen aufrichtigen Respekt verschafft, sondern nur das vorhandene Machtgefälle festigt. Das Kind empfindet in so einer Situation höchstens Willkür, ein Gefühl von Ausgeliefert-sein und „ich bin nur liebenswert wenn ich brav bin“. Im schlimmsten Fall kann daraus sogar Angst entstehen.
Aber was bedeutet „brav“ denn eigentlich?
Wenn Erwachsene sich „brave Kinder“ wünschen, dann meinen wir in der Regel so etwas wie „angepasst“, „unauffällig“, „unkompliziert“ oder „friedlich“. Diese Begriffe sind jedoch ziemlich abstrakt und werden obendrein von Familie zu Familie unterschiedlich definiert. Wie soll also ein Kind überblicken, was alles dazu gehört, brav zu sein und dann auch noch sein Verhalten während der gesamten Vorweihnachtszeit daran ausrichten - mit dem Ziel am Ende von einer mystischen Sagengestalt als „brav genug“ beurteilt und entsprechend beschenkt zu werden?
Und selbst wenn unsere Kinder früher oder später die Geschenke nicht mehr vom Christkind/Weihnachtsmann erwarten, sondern sich denken können, dass die Erwachsenen dahinterstecken, so haben wir uns mit dieser Drohung keinen Gefallen getan. Allenfalls haben wir eine gute Beziehung und das Vertrauen unserer Kinder aufs Spiel gesetzt, Ängste geschürt und ihnen zu verstehen gegeben, dass sie „funktionieren“ und unseren Erwartungen entsprechen müssen, damit wir sie belohnen können.
Um unsere Kinder zu selbstbewussten und sicheren Persönlichkeiten heranwachsen zu lassen, die für ihre Rechte einstehen können und zu denen wir auch in vielen Jahren noch ein respektvolles Verhältnis auf Augenhöhe haben, sollte unsere Erziehung doch auch genau dies widerspiegeln: Ein wertschätzender Umgang miteinander, „du bist liebenswert, egal was du tust/was passiert“, Empathie, Verständnis und letztlich keine willkürliche Androhung von Strafen die nicht umgesetzt werden (können). Dabei hilft uns auch der imaginäre Support von Knecht Ruprecht nicht, denn den benutzen wir dann ja eigentlich nur, um uns selber nicht den schwarzen Peter zuschieben zu müssen.
Was unsere Kinder letztlich brauchen, ist das Gefühl geliebt zu sein,
auch wenn – und gerade dann – wenn sie „unausstehlich“ sind. Das heißt nicht, dass sie sich rücksichtslos alles erlauben können, sondern dass alle Bedürfnisse in der Familie gleichermaßen geachtet werden und dass am Ende jeder eine zweite Chance verdient hat. Wir können vergeben und einander so annehmen, wie wir sind.
Und das ist ja dann der Weihnachtszauber, den wir uns eigentlich alle wünschen.
Sie stecken auch in Machtgefällen mit Drohungen und Wenn-Dann-Aussagen fest? Buchen Sie gerne eine Einzelberatung oder einen Kurs, bei dem wir Ihnen vermitteln, wie es auch auf Augenhöhe geht.