Warum Zahnreinigung keine „Me-Time“ ist
Me-Time ist in aller Munde. Selbstfürsorge betreiben und sich selber damit etwas Gutes tun. Doch was heißt das eigentlich konkret? Mit einer Tafel Schokolade in die Badewanne legen und ein Buch lesen – das Paradebeispiel. Aber ist das so leicht?
Man hört Sätze wie „Mach doch mal ein bisschen Me-Time und geh alleine einkaufen.“ Oder „Mama macht Me-Time bei der Zahnreinigung!“.
Sätze dir wir dringend in Frage stellen müssen.
Nein, ich weigere mich, es als Me-Time zu betrachten, wenn ich alleine einkaufen gehe oder alleine zum Arzt gehen darf. Das sind Dinge die ich mache, um das Familienleben logistisch aufrecht zu erhalten, oder Dinge die für den Erhalt meiner Gesundheit nötig sind. Aber nicht, weil ich so viel Spaß dabei habe und es genieße, durch einen vollen Supermarkt zu schlendern oder stundenlang in einem Wartezimmer zu sitzen. Ich will auch gar nicht immer das Haus verlassen um Me-Time haben zu können. Ich will nicht ins Fitness-Studio oder in ein Café „flüchten“ müssen um alleine sein zu dürfen und es als Me-Time bezeichnen zu können. Vielleicht will ich einfach mal in Jogging-Hose auf dem Sofa sitzen?
Warum ist einkaufen keine Me-Time?
Aktivitäten, die der Organisation des Alltags, der Versorgung, der Hygiene oder der Gesundheit einzelner Familienmitglieder dienen und deshalb zwingend notwendig sind, sind keine Me-Time, denn sie müssen unbedingt von einem Elternteil (oder anderem Verantwortlichen) erledigt werden. Bleiben diese Tätigkeiten liegen oder werden zu lange aufgeschoben, dann leiden vermutlich eines oder mehrere Familienmitglieder darunter, der gewohnte Status Quo an Bildungsmöglichkeiten, Sauberkeit, Ernährung oder Gesundheit kann nicht erhalten werden und die Situation verschlechtert sich für alle Beteiligten. Das hat also nichts mit Me-Time zu tun, sondern mit dringender Notwendigkeit, mit Verantwortung und mit Mental-Load (aber das steht auf einem anderen Blatt).
Natürlich sind Aktivitäten wie Einkaufen, Arzt- oder Werkstattbesuche, Sport, Überweisungen tätigen, Ämtergänge oder andere wichtige Termine weniger stressig, wenn ich dabei keine, oder nur bestimmte Kinder mitnehmen oder betreuen muss. Aber dennoch denke ich, Sozialisation kann nur funktionieren, wenn wir sie durchleben – meine Kinder ebenso wie die Gesellschaft müssen lernen miteinander umzugehen. Dieser meist anstrengenden, stressigen Konfrontation zu entfliehen und aus dem Weg zu gehen bedeutet im Umkehrschluss ja nicht, dass ich dabei etwas für mich mache – bloß weil ich es alleine mache. Schließlich will ich ein Leben führen, in dem ich nicht ständig auf der Flucht bin vor negativen Reaktionen, vor Stress oder Konflikten, sondern ein Leben das ich selber gestalten kann. Mein Leben aktiv gestalten, so wie ich es mag – das ist in meinen Augen Me-Time. Das kann alleine sein, oder in Gesellschaft von Menschen die mir guttun.
„Aber du wolltest doch Kinder – jetzt musst Du auch die Zeit mit ihnen verbringen…“ – das Totschlag-Argument. Klar wollte ich Kinder, ich will sie immernoch. Aber ich will dieses gemeinsame Leben eben auch gestalten können und nicht nur irgendwie durchstehen und aushalten. Und um dafür die Kraft zu haben, Energie zu sammeln und meine Akkus wieder aufzuladen bedarf es gelegentlich etwas Me-Time. – Wahrhaftige Me-Time.
Wie sieht Me-Time denn dann aus?
Und damit meine ich das, was wir tun können, um dabei bewusst zu entspannen, oder woran ich großen Spaß habe. Dinge, die wir uns aussuchen und zu denen wir uns bewusst entscheiden können. Me-Time ist, was es uns möglich macht ein Leben aktiv und schön zu gestalten, um uns selbst zu finden oder uns verwirklichen zu können. Sei es im Café, in der Badewanne oder bei einer Freundin in der Küche, auf dem Fahrrad, auf dem Sofa, ganz alleine, zu zweit oder auch mit Kindern zusammen – für die Ausgestaltung und Qualität von Me-Time muss jede ihren eigenen Weg finden (und lernen). Aber die Basis, die dem Ganzen doch immer zugrunde liegen sollte ist die Frage, ob ich selber entscheiden konnte wie ich sie gestalte – oder ob ich bei der Entscheidung bloß getrieben wurde von äußeren (oder inneren) Ansprüchen, von misslichen Rahmenbedingungen oder von strukturellen Vorgaben?
Wenn Du auch das Gefühl hast, dass du dringend etwas „Me-Time“ brauchst, aber nicht weißt wo du anfangen sollst, dann komm zu unserem Workshop "Mama-Auszeit" in die Beziehungswerkstatt. Wir geben dir den Raum und die Zeit deinen Weg zu finden und du kannst zusammen mit anderen Frauen deine Strategie finden, um im trubeligen Familienalltag nicht verloren zu gehen.