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Geschwisterstreit

Zwei Wochen Weihnachtsferien – und wir sind uns einig: Mehr Struktur tut den meisten hier gut. Wir brauchen mehr Dorf. Mehr „outgesourcte“ Betreuung. Mehr Entzerrung. Weniger Buden-Koller. Und vor allen Dingen weniger Streit.

Der normale Wahnsinn oder ein echtes Problem?

Jeden Tag wird gezankt, gezetert, gemeckert und gestänkert. Es scheint kaum einen Tag zu geben an dem die Kinder sich nicht kloppen oder ärgern. Sie sind wie Katz und Maus - können nicht zusammen sein und auch nicht ohne den anderen. Auf vertieftes Rollenspiel folgt schnell die nächste Streiterei und schon Minuten später scheint alles vergessen und sie bauen zusammen Höhlen. Uns Eltern fällt es oft schwer, dabei nur Zuschauer zu sein und nicht eingreifen zu können. Es scheint, als könne man daran sowieso nichts ändern, jeder Schlichtungsversuch verläuft im Sande und es entsteht gleich wieder Streit wegen der kleinsten Kleinigkeiten. Wir wissen doch längst, dass man kein Kind bevorzugen soll, immer fair bleiben soll, die Kinder selber nach Lösungen und Kompromissen suchen lassen soll, keine Generalstrafen verhängen und eine sichere Umgebung schaffen sollte in der jeder seinen Charakter entfalten kann ohne anzuecken. Und trotzdem scheint es an manchen Tagen, als fühlen die Kinder sich trotzdem ungerecht behandelt – ganz egal was wir tun, ganz egal wie verständnisvoll wir sind und wie bedürfnisorientiert wir erziehen. 

Geschwister als Wachstumsschmerz?

Die Geschwister-Beziehung ist eine der wichtigsten im Leben und zudem eine, die uns (hoffentlich) das ganze Leben begleitet. Mit Geschwistern aufwachsen kann Fluch und Segen zugleich sein. Man erlebt das selbe Elternhaus, verbringt über Jahre so viel Zeit gemeinsam und teilt Privates und Persönliches so ungefiltert wie mit keinem anderen Menschen. Geschwister müssen nicht genetisch verwandt sein, um sich als Bruder und Schwester wahrzunehmen, sondern die Art und Weise wie sie gemeinsam erwachsen werden beeinflusst, ob aus ihnen Rivalen werden oder ein gutes Team!

Und die Art und Weise wie sie zusammen groß werden, liegt (zu Beginn) nun mal hauptsächlich in der Verantwortung der Eltern. Eltern müssen sich bewusstmachen, dass Kinder zunächst hilfebedürftig zur Welt kommen und auf die elterliche Fürsorge angewiesen sind. Selbstverständlich wird hierum gekämpft, das liegt in der Natur der Sache, und es ist unsere Aufgabe diese Grundbedürfnisse für alle Kinder gleichermaßen zu befriedigen. Kommt ein Geschwisterkind zur Welt, dann stellt dies für die Versorgung der vorhandenen Kinder zunächst, evolutionsbiologisch gesehen, eine Bedrohung dar. 

Beziehung wird jeden Tag neu gestaltet

Sorgen wir für adäquate Rahmenbedingungen und gerechte Bedürfnisbefriedigung für alle Familienmitglieder, dann ist dies schon ein großer Teil der zu einem harmonischen Familienleben beitragen kann. Nichtsdestotrotz wird es trotzdem Streit geben – und das ist normal. Wir müssen anerkennen, dass eigentlich kein Alltag, kein System, so gestaltet werden kann, dass darin nie Reibereien entstehen. Ein jedes Familienmitglied entwickelt sich ständig weiter und jedes Familiensystem unterliegt permanenter Veränderung. Es kommen Mitglieder dazu oder fallen weg, ständig werden Rollen neu verteilt. Charaktere und Persönlichkeiten entwickeln sich. Manche streben nach mehr Selbständigkeit und Unabhängigkeit, manche brauchen mehr Nähe oder sogar Pflege. Beziehung ist etwas, was jeden Tag neu gestaltet werden kann und woran man auch jeden Tag arbeiten kann. Eltern machen es vor – und Kinder ahmen es nach. So wie wir uns und alle anderen Familienmitglieder mit Respekt behandeln, auf Augenhöhe und mit Zuverlässigkeit, so werden es hoffentlich auch unsere Kinder irgendwann tun. So wie wir unsere Kinder sehen, mit ihnen sprechen und unsere Gefühle offenbaren – so werden sie es „normal“ finden und weitergeben. 

Versuchen wir doch, trotz aller Genervtheit, den Streit als wichtiges Mittel zum Zweck sehen zu können. Nur wer streitet kann auch lernen Konflikte zu lösen, kann kompromissfähig werden und trainiert soziale Kompetenz. Wird Streit immer direkt im Keim erstickt und damit zum Tabuthema erkoren, dann wird Streit- und Versöhnungskultur nicht erlernt. Im Grunde ist es doch nichts Schlechtes, wenn unsere Kinder versuchen, für ihre Interessen, ihre persönlichen Rechte und ihre Anliegen einzustehen – fördern wir dies, indem wir Streit nicht verbieten, sondern den richtigen Raum zum Lernen schaffen. Wenn es sein muss, jeden Tag aufs Neue. 

Themenabend

Du hast Lust, dich mit dem Thema intensiver auseinander zu setzen und neue Lösungsmöglichkeiten für zu Hause zu finden? Dann meld dich zu unserem Themenabend "Reibung erzeugt Wärme" an und erfahre, wie du mit Geschwisterstreit und Rivalitäten umgehen kannst.

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