Am 29. Februar ist, so wie jedes Jahr, Equal Care Day. Jedes Jahr? -Nein, eigentlich nur in Schaltjahren, denn in „normalen“ Jahren findet der Equal Care Day am 1. März statt. Das Datum bot sich an, da den Initiatoren zufolge der 29. Februar ebenso oft übergangen wird, wie das Thema um das es hier geht.
Was ist damit eigentlich gemeint?
Der Care-Begriff, der dem Titel zu Grunde liegt und für den es bis heute noch keine adäquate deutsche Übersetzung gibt, meint alle alltäglichen und wiederkehrenden Tätigkeiten des Sorgens und sich-Kümmerns, die notwendig sind um „gut leben“ zu können. Dazu gehört auch das Wissen, die Verantwortung und die Organisation die es braucht, um allen Haushalts- und Familienmitgliedern ein angenehmes Dasein zu ermöglichen. In manchen Ländern beginnt dies schon bei der Suche nach Trinkwasser oder Brennholz, geht über die Begleitung und Versorgung Schwangerer, Neugeborener und Kleinkinder, weiter zur Erziehung, Bildung und Betreuung von Kindern im Schulalter bis hin zur familiären Unterstützung einzelner Familienmitglieder im Krankheitsfall oder bei Behinderung. Dazu gehört auch Hilfe und Unterstützung von Freunden*Innen oder Nachbar*Innen, Sterbebegleitung oder Grabpflege und der Begriff umfasst schließlich auch alle Arbeiten die im Haushalt und ums Haus herum anfallen.
Care-Arbeit = Frauenarbeit?
Schaut man sich die Aufgaben um die es hier geht genauer an, dann wird klar, dass diese zu einem Großteil noch immer von Frauen erledigt werden, die dafür beruflich in erheblichem Maße zurückstecken. Man muss nicht unzählige Studien lesen (von denen es mehr als genug gibt) um festzustellen, dass wir noch immer in gesellschaftlichen Strukturen leben, die eher ein traditionelles Rollen- und Familienbild fördern, als eine tatsächlich gelebte Gleichberechtigung von Frauen und Männern. Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung stellte 2019 fest, dass Frauen und Männer, die in Paar- oder Familienhaushalten leben zwar gleichermaßen jeden Tag durchschnittlich 11 Stunden arbeiten – Frauen allerdings nur 5 Stunden davon bezahlt werden und Männer dagegen täglich über 8 Stunden einer entlohnten Erwerbstätigkeit nachgehen. Bei Familien mit Kindern unter 6 Jahren ist diese Schere noch größer – und zwar unabhängig von Bildungsgrad oder beruflicher Position der Eltern.
Was bedeutet das für die Frauen?
Durch diese langfristig ungleiche Verteilung von unbezahlter Care-Arbeit sind Frauen systematisch ökonomisch schlechter gestellt und es verfestigt sich ein gesellschaftliches Bild von Familie, das wir gleichermaßen an unsere Kinder weitergeben. Noch immer stellt sich für viele Frauen die Frage „Kind oder Karriere?“ und Männer beklagen nicht selten viel zu wenig von ihren Kindern mitzubekommen. Ein (oder mehrere Kinder) zu bekommen bedeutet für Mütter in Deutschland immer noch, beruflich arg zurück zu stecken. So gingen 2018 nur 32% aller Mütter mit Kindern unter 3 Jahren einer Erwerbstätigkeit nach, während 80% der Väter zur gleichen Zeit berufstätig waren. Die Erwerbsquote der Mütter steigt dann zwar mit zunehmendem Alter der Kinder langsam wieder an, einer Vollzeittätigkeit gehen jedoch auch dann nur die wenigsten Mütter nach. Schließlich führen diese höhere Teilzeitquote, die familienbedingten Erwerbspausen und Elternzeiten und auch die Arbeit in weniger gut bezahlten Berufen zu einer erheblichen Rentenlücke, von der Frauen deutlich öfter betroffen sind als Männer.
Was muss sich ändern?
Was muss also geschehen, damit wir ausbrechen können aus einem System, dass sich über Jahrzehnte gefestigt hat und das offenbar dafür sorgt, dass Männer viel seltener in Elternzeit gehen oder in Teilzeit arbeiten um sich der anfallenden Care-Arbeit zu widmen? Sind wir nicht längst alle gleichberechtigt und wissen, dass Väter sich ebenso gut um diese Aufgaben rund um Kinderbetreuung und Haushalt kümmern könnten – wenn sie wollten? Warum treffen Männer und Frauen trotz aller Fortschrittlichkeit, trotz aller Emanzipation dennoch immer wieder die Entscheidung so zu leben?
Raus aus alten Gewohnheiten
Das Wissen alleine reicht leider nicht aus um eine tatsächliche Veränderung umzusetzen – denn wenn es stressig wird dann schalten wir nur allzu gerne um auf „Notstrom-Betrieb“, dann tun wir das, was wir gewohnt sind, das, was uns vorgelebt wurde und eben das, was wir als „einfachste Lösung“ wahrnehmen. Dann fallen wir in Strukturen die wir zwar nicht unbedingt toll finden, aber die uns Sicherheit geben und Gewohnheit empfinden lassen. So sind neben weiteren (familien-)politischen Veränderungen und finanziellen Anreizen, struktureller Unterstützung und gesellschaftlichem Umdenken auch die kleinen Veränderungen wichtig, die jede(r) in der Familie umsetzen kann.
Vorleben schafft Umdenken
Mit vielen kleinen Schritten können wir unseren Kindern vorleben, wie wir Gleichberechtigung anstreben und welche Aspekte für jeden Einzelnen ganz individuell von Bedeutung sind. Keine Familie kann den Anspruch haben, Equal Care zu perfektionieren – aber wir können einzelne Dinge hinterfragen, sichtbar machen und Neues zu einer Normalität werden lassen mit der unsere Kinder aufwachsen. Es muss keine in Stein gemeißelte 50/50 Lösung sein. Ins Gespräch kommen, sich austauschen über die eigenen Bedürfnisse und Wünsche, den anderen wahrnehmen und nicht in Rollen pressen wollen - das ist es, was Veränderung bringt.